Es beginnt mit einer Steuerauflage, die gleich mehrere Steuerrisiken aufzeigt: viele eingeforderte Belege, möglicherweise überbewertete Aktiven, ein fraglicher Zeitpunkt für die Besteuerung eines Liegenschaftengewinns und zur Krönung ein simuliertes Aktionärsdarlehen. Da hilft kein guter Rat, sondern ein guter Steuerberater!
Stellen Sie sich folgendes Szenario vor…
Sie sind in Ihren Dreissigern und haben ein kleines Unternehmen im Immobiliensektor aufgebaut, Sie sind verheiratet und das zweite Kind ist unterwegs. Ihr Vater, mit dem Sie seit jeher ein eher zwiespältiges Verhältnis verbindet, ruft Sie an und bittet Sie um Hilfe:
Ihr Vater ist (ebenfalls) im Immobiliensektor tätig und hat sich aufgrund heikler Geschäfte im Hypothekargeschäft in eine ungünstige Lage gebracht. Er erklärt Ihnen lang und breit die Situation. Ihr Verhältnis war schon länger angespannt. Sie sind sich sicher: So ohne Weiteres hätte er Sie nicht um Hilfe gebeten.
Und jetzt das:
Er bittet Sie um eine Bürgschaft. Und zwar um eine Solidarbürgschaft. Das bedeutet, dass Sie zur Zahlung der Schulden «gebeten» werden können, sobald Ihr Vater einmalig erfolglos gemahnt wurde.
Er bittet Sie eindringlich um Unterstützung. Ihre Einwendungen löst er mit vernünftigen Argumenten auf. Die Dringlichkeit in seiner Stimme zeigt: Er ist in Not.
Eine Bürgschaft ist gefährlich. Und trotzdem geht es um IHREN VATER. Er braucht Ihre Hilfe.
«Was kann ich tun?», werden Sie sich zweifellos fragen. Denn auch wenn Ihr Verhältnis nicht das beste ist, ist es ja Ihr Vater.
Die Frage ist also:
Was tun Sie?
Wie entscheiden Sie sich?
So beginnt die Geschichte, die in Wirklichkeit komplexer, zu Beginn undurchsichtig und vor allem ein bisschen tragischer war, als ich es hier erzähle.
Der Albtraum beginnt: Bürgschaft für Hypothekarkredite
Falls Sie sich im obigen Szenario dazu entschieden haben, Ihrem Vater zu helfen, der Sie eindringlich und flehend bittet, haben Sie bald Schulden:
Die Bitte Ihres Vaters war jene nach einer Solidarbürgschaft. Er hat sich im Rahmen von Hypothekarbürgschaften behaften lassen.
Als diese Hypothekarkredite fällig wurden und bei den Schuldnern nicht eingetrieben werden konnten, wurden diese ganz schnell bei Ihrem Vater als Bürgen eingefordert. Dieser konnte nicht gänzlich erfüllen – und Sie waren als nächstes dran. Solidarisch halt.
Der Albtraum geht weiter: Brief vom Steueramt
Der Kunde kam auf Empfehlung zu uns. Zuerst sah es – zumindest für meinen Vorgesetzten – nicht schwierig aus: Unterstützung bei einer Steuerauflage. Nun ja. Wir (Profis) kennen das ja. Auf den ersten Blick scheint nichts wie es später wirklich ist.
Beim genaueren Hinsehen waren da doch einige Brocken versteckt, die ich zuerst nur erahnen konnte beim Lesen:
- Fragen zum Debitorenbestand
- Nachweis der Bonität des Aktionärs zwecks Rückführung des Aktiv-Darlehens
- Hinweis, dass der (abgegrenzte) Liegenschaftengewinn im aktuellen Geschäftsjahr besteuert wird
- Zustellung von Belegkopien zu Werbepositionen
Ich mag mich noch erinnern, dass die Offerte meines Vorgesetzten zu dieser Anfrage bei CHF 2’000 lag. Ein Irrtum, wie sich später herausstellen sollte…
Echte Debitoren oder Fake-Aktiven?
Mit Hilfe von wertlosen Debitoren seine Bilanz zu optimieren erinnert ein wenig an den Enron-Skandal in den USA. Bei genauerem Hinschauen war dann auch ersichtlich, dass es sich um Gesellschaften des Vaters vom Geschäftsführer handelte. Es handelte sich somit um Guthaben bzw. Schulden unter Nahestehenden. Und dort schaut das Steueramt gerne genauer hin.
Einem Drittvergleich hielten die Forderungen meiner Meinung nach nicht (mehr?) stand: Sie waren schon einige Jahre bilanziert, wurden niemals nachweislich eingefordert und der genaue Ursprung konnte ebenfalls nicht widergegeben werden. Allenfalls hätten diese schon länger ausgebucht werden müssen. Durften oder mussten oder konnten wir dies im vorliegenden Jahr noch? Da lag die Diskussion um das Periodizitätsprinzip in der Luft…
Risiko simuliertes Aktionärsdarlehen
Dann war da das grosse «Cashcow»-Problem, welches die Steuerämter je länger je lieber ganz genau prüften: Liegt ein simuliertes Aktionärsdarlehen vor? Das wurde zumindest geprüft. Und wenn das geprüft wird, ist es meistens (leider) schon fünf vor zwölf, denn: Je höher das Darlehen, desto interessierter ist das Steueramt an einer Prüfung.
Aber in unserem Fall gab es da ein latentes Risiko:
- Ist die Bonität zur Rückzahlung fraglich, qualifiziert es bald einmal als simuliert.
- Wenn die Bonität des Aktionärs nicht mehr gegeben ist und das Darlehen zur Deckung eben dieser Bonität aus der Gesellschaft gezogen wird, heisst das im Endeffekt eine Umqualifizierung in eine geldwerte Leistung.
- UND DANN fragt sich, wie die Steuern auf dieser Dividende bezahlt werden sollen. Denn die Bonität ist ja eben nicht mehr gegeben…. (siehe Punkt 1). Aber wie bitte sollen diese Steuern ohne Geld bezahlt werden???
Noch übler war schliesslich der Fakt, dass zu jenem Zeitpunkt bereits der nächste Jahresabschluss fällig war. Das heisst, dass die Zahlen, die dem Steueramt vorlagen und geprüft waren, gar nicht mehr den aktuellen Gegebenheiten entsprachen:
Das Aktionärsdarlehen nahm in der Zwischenzeit nämlich um weitere rund CHF 150’000 zu.
Kurze Rückblende: Wie ist es zu diesem simulierten Aktionärsdarlehen gekommen?
Als Bürge musste unser Kunde schnell viel Geld abliefern. Dieses versprach er sich natürlich zu einem späteren Zeitpunkt zurück, musste aber vorgängig die Gläubiger befriedigen. Aus «eigener Tasche» konnte er nicht alles begleichen, sodass er sich ein Darlehen aus seiner Unternehmung gewähren musste. Dieses Darlehen nahm stetig zu, weil auch noch der Lebensunterhalt beglichen werden musste…
Diskussionslos: Zeitpunkt der Besteuerung des Liegenschaftengewinns
«Dumm gelaufen» war die Verbuchung eines Liegenschaftenverkaufs: Obwohl der Kunde zuvor einen Treuhänder für den Abschluss beauftragt hatte, um genau solche Risiken aufzudecken, klappte die Steuerfalle zu:
Verkauft und übertragen im Abschlussjahr sollte noch die finale Kaufpreisüberweisung im neuen Jahr vonstattengehen. Sowohl das Verpflichtungsgeschäft wie auch die Verfügungsmacht mit der Schlüsselübergabe gingen jedoch im alten Jahr über die Bühne.
Schade, dass der unterstützende Treuhänder dieses Steuerrisiko nicht gesehen hatte.
Auf jeden Fall war dieser Umstand bereits geklärt, als ich das Mandat übernahm und konnte hier nichts mehr ausrichten bis auf den Antrag, in der Veranlagung bitte eine Steuerrückstellung zu berücksichtigen (das waren immerhin auch rund CHF 350’000).
Haarscharf: Handelt es sich um wertlose Debitoren?
Etwas mehr diskutieren mussten wir bei den Debitoren. Sofern diese nämlich nicht als Debitorenverluste ausgebucht werden, hat das Steueramt wenig in der Hand, hier etwas zu korrigieren. Da sich unsere Argumente gegenseitig aufwogen, haben wir uns auf eine einvernehmliche Lösung geeinigt, mit welcher Steueramt, Steuerberaterin und Kunde zufrieden waren.
Liegt ein simuliertes Aktionärsdarlehen vor?
Ja, die Knacknuss. Wer die aktuelle Rechtsprechung insbesondere des Bundesgerichts kennt, weiss um die drastischen Steuerfolgen. Diese wollte ich so gut es geht für meinen Kunden vermeiden, ging es doch um einen stattlichen Betrag im mittleren sechsstelligen Bereich.
Wir mussten uns also etwas überlegen, und mit einigen schönen Worten war es nicht getan. Der Sachverhalt war ziemlich verworren durch die längere Vorgeschichte und die familiären Verwicklungen. Und leider machte auch die persönliche Geschichte meines Kunden vor dem Steueramt nicht Halt und stimmte dieses nicht milde: Dem Kunden wurde der Lohn gepfändet und war ausserdem Besitzer diverser Verlustscheine.
Simuliertes Aktionärsdarlehen: Wie geht man vor?
- Auslegeordnung: Sachverhalt klar darstellen
- Steuerrisiken analysieren
- Mögliche Lösungsansätze suchen
- Besprechung mit dem Kunden
Ob das Aktiv-Darlehen als simuliert zu betrachten und somit als geldwerte Leistung zu qualifizieren ist, kann anhand von Kriterien geprüft werden, die das Bundesgericht hierfür entwickelt hat. Lagen diese jedoch überwiegend vor, mussten wir diese auch entkräften können. Ansonsten würde eine Steuerfalle zuschnappen, die verdammt weh täte…
Kriterien zur Beurteilung eines simulierten Aktionärsdarlehens
- Stellt das gewährte Aktiv-Darlehen ein Klumpenrisiko in der Bilanz dar? (vorliegend: nein)
- Allgemeine Bonität des Aktionärs (vorliegend: sehr angespannt/negativ)
- Rückzahlungswillen des Schuldners/Aktionärs
- Liegt ein (schriftlicher) Darlehensvertrag vor? (vorliegend: nein)
- Werden die Darlehenszinsen auf das Darlehen aufgeschlagen oder effektiv bezahlt?
- Statutarischer Zweck des Unternehmens
Im Rahmen einer Gesamtbetrachtung standen wir nicht sehr gut da. Doch die Beurteilung der Kriterien ist nicht in Stein gemeisselt, sodass im Zeitpunkt der Prüfung immer noch «das Ruder herumgerissen» werden kann. Dann aber Vollgas und wirkungsvoll. Und vor allem als letzte Chance und nicht, um das Steueramt auszutricksen! Wir bzw. unser Kunde mussten also sämtlichen Mitwirkungspflichten bedingungslos nachkommen und Lösungsvorschläge unterbreiten.
Ausweglose Situation?
Der Ausweg zeigte sich in einer Punkt-für-Punkt-Analyse der Kriterien des Bundesgerichts: Jeder Punkt, den man noch ändern konnte, musste geändert werden, bis irgendwann das Zünglein an der Waage zu unseren Gunsten ausschlug. Wir wollten das Damoklesschwert des simulierten Aktionärsdarlehens unbedingt entfernt haben.
Ganz einfach also. 😅

Die Aktiengesellschaft war formell nicht mehr im Besitz unseres (Privat-)Kunden. Familienangehörige hatten die Aktien bereits früher gekauft. Eine Dividendenzahlung war somit nicht direkt möglich, eine Lohnzahlung war während einer laufenden Lohnpfändung ebenfalls ausgeschlossen.
Sackgasse?
Mitnichten!
Mit viel Biegen, einem breit abgestützten Lösungsansatz (bzw. dem Ausnützen von allem was wir zur Verfügung hatten), viel Entgegenkommen des Steueramts (und zwar sowohl bei der Veranlagung wie auch beim Bezug!) konnten wir zum Schluss eine für alle Seiten akzeptable Lösung finden.
Und die Moral von der Geschichte?
«Den Bürgen sollst du würgen.»
Also niemals eine Bürgschaft eingehen, und vor allem: wenn, dann nur bis zu einem Höchstbetrag, den man im Fall der Fälle auch wirklich übernehmen kann. Eine Solidarbürgschaft in unbekannter Höhe gleicht einem Gang zur Guillotine…
Fragen? Anregungen? Unterstützung gesucht? Ich freue mich auf Ihre Kontaktaufnahme!