Geschäftsmässig begründeter Aufwand: Die Geschichte des Treuhänders, der ihn nicht nachweisen wollte – bis er musste

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Geschäftsmässig begründeter Aufwand: Einer der wichtigsten Begriffe im Unternehmenssteuerrecht. Warum stellt sich ein Steuervertreter quer, seinen Mitwirkungspflichten nachzukommen? Seine fehlende Kooperation wird im Einspracheverfahren mit einer «reformatio in peius» abgestraft und vor Steuerrekurskommission kassiert er noch eine Ohrfeige.

Einleitung: What’s the story, morning glory?

Wie gewünscht hat sich TAXina das letzte Mal mit dem juristischen Begriff der «reformatio in peius» beschäftigt. Nun folgt die wahre Gegebenheit dazu: In diesem spannenden Rechtsmittelverfahren geht es zwar um die Prüfung von geschäftsmässig begründetem Aufwand, aber die Querelei des Steuervertreters ist ein gutes Beispiel für TAXina’s letzten Beitrag zum Thema «reformatio in peius».

The story begins: Prüfung der eingereichten Steuerunterlagen

Ein Standardverfahren zur Kontrolle eines Jahresabschlusses – sowohl in der Treuhandbranche wie auch bei der Verwaltung – sind Vorjahresvergleiche. Einerseits im direkten Vergleich zum Vorjahr, andererseits auch über viele Jahre hinweg. Dazu dienen einerseits Kennzahlen (Bruttogewinnquote etc.) über Kontengruppen hinweg, aber auch einzelne Konti werden miteinander verglichen.

Eine rote Ampel in der Erfolgsrechnung

Geschäftsmässig begründeter Aufwand? Die Geschichte des Treuhänders, der ihn nicht nachweisen wollte - bis er musste
Vorjahresvergleich: Das A und O. Bild: Pixabay.

Mit den Jahren als Steuerkommissärin lernt man natürlich die besten Verstecke für geldwerte Leistungen, aperiodische Aufwendungen und sonstigen geschäftsmässig nicht begründeten Aufwand kennen. Und manchmal sticht einem etwas ins Auge, das man abklärt.

Wie im konkreten Fall:

Das Konto Rechtsberatung nahm vom einen zum anderen Jahr aussergewöhnlich zu. Im Vorjahr waren noch ein paar tausend Franken verbucht, im aktuellen Jahr fast das Zwanzigfache. Wie kam das? Sollte ein Untenrehmen Rechtsberatungsdienstleistungen von über CHF 80’000 in Anspruch nehmen, liegt wahrscheinlich ein grösseres Problem zugrunde. Allenfalls zeigen sich dabei Auswirkungen auf weitere Positionen der Jahresrechnungen. Auf alle Fälle Grund genug, das weiter zu prüfen:

So forderte ich die Belege als Nachweis für die geschäftsmässige Begründetheit ein.

Was ist geschäftsmässig begründeter Aufwand?

«Die Frage, ob ein Aufwand geschäftsmässig begründet ist, beantwortet die Betriebs- oder Unternehmungswirtschaftslehre. Geschäftsmässig begründet sind Kosten, wenn sie aus unternehmungswirtschaftlicher Sicht vertretbar erscheinen; nach der Rechtsprechung sind Aufwendungen dann geschäftsmässig begründet, wenn sie mit dem erzielten Erwerb unternehmungswirtschaftlich in einem unmittelbaren und direkten (organischen) Zusammenhang stehen. […]

Somit muss alles, was nach kaufmännischer Auffassung in guten Treuen zum Kreis der Unkosten gerechnet werden kann, steuerlich als geschäftsmässig begründet anerkannt werden. Dabei spielt es keine Rolle, ob ein Betrieb auch ohne den infrage stehenden Aufwand ausgekommen wäre und ob dieser Aufwand im Sinne einer rationellen und gewinnorientierten Betriebsführung zweckmässig war.» (BGer vom 03.05.2016, 2C_795/2015, E. 2.2)

Untersuchungsgrundsatz

Die Beweispflicht im Steuerrecht leitet sich dabei nach den allgemeinen Regeln ab, dass jene Partei (Steuerpflichtige oder Steuerbehörde) die aus einem Sachverhalt ein Recht ableitet, dafür auch beweispflichtig ist (Art. 8 ZGB).

Steuermindernde Tatsachen sind durch die Steuerpflichtigen zu beweisen. Die Folgen der Beweislosigkeit trägt dabei jene Partei, die einen von ihr behaupteten Sachverhalt nicht beweisen kann (=Beweislast).

Der Marathon im Rechtsmittelverfahren beginnt

Auf die erste Rückfrage kam – nichts. Als auch auf die Mahnung mit Bussenandrohung keinerlei Belege kamen, staunte ich nicht schlecht, was der Treuhänder (dipl. Treuhandexperte mit X Jahren Berufserfahrung!) vorbrachte: Dass es sich um Rechtsberatungsdienstleistungen einer Kanzlei handelte, sähe ich ja auf dem beiliegenden Kontoauszug. Belege bzw. Rechnungen werde er mir keine zukommen lassen, denn es handle sich um eine heikle Angelegenheit. Es sei doch auch so klar, dass es sich um geschäftsmässig begründeten Aufwand handle.

(Ja, ich war etwas perplex. So eine lapidare Einsprache von einem «Profi» sollte verboten gehören. Wobei es zwar nicht verboten ist, aber verpönt: Für solche Zwecke wurde der Verhaltenskodex Steuern geschaffen.)

In der Folge rechnete ich die Differenz des Rechtsberatungsaufwands vom aktuellen Jahr zum Vorjahr als geldwerte Leistung auf. Ohne Nachweis war die geschäftsmässige Begründetheit eine Möglichkeit von mehreren, aber kein Faktum. Es konnte sich genauso gut um eine geldwerte Leistung handeln. Dies war umso wahrscheinlicher, da die Gegenseite sich explizit weigerte, Belege einzureichen: Eine Rechtsberatung (Anwalt etc.) kann man schliesslich auch als Privatperson ab und zu benötigen. Vielleicht war eine Scheidung durchgezogen worden?

Kosten in der Höhe des Vorjahres liess ich zu.

Hallo Einsprache: Nachweis der geschäftsmässigen Begründetheit

Von Mitwirkungspflichten und Beweispflichten

Diese Aufrechnung von immerhin rund CHF 75’000 fand der Treuhänder dann wohl nicht so toll und erhob Einsprache. Die Wortwahl war etwas «ausfallend», man merkte, dass er… nun ja… «not amused»… war. 😉

Im Einspracheverfahren war er dann leider fast genauso unkooperativ wie zuvor. Er erklärte, dass es sich um eine heikle Situation handelte, welche zu diesen Rechnungen führte und diese von einem Anwalt stammten. Da die Geschäftsleitung den eigenen Angestellten nicht traute, dass die Briefe nicht geöffnet wurden und der Inhalt bekannt würde, wurden die Rechnungen an die Privatadresse der Geschäftsleitung zugestellt.

Nachweis der geschäftsmässigen Begründetheit: Die Qualität von Belegen und Rechnungen

Als Nachweis bekam ich immerhin ein paar Unterlagen: Zum einen erhielt ich den Kontoauszug aus der Buchhaltung. Der gesamte Rechtsberatungsaufwand der Gesellschaft enthielt diverse Positionen hauptsächlich einer einzigen Rechtsanwaltskanzlei. Geliefert wurde der Steuerverwaltung nicht die gesamten Rechnungen, sondern jeweils nur die erste Seite, welche

  • an die Privatadresse der Geschäftsleitung gerichtet war;
  • einzig die Beschriftung «Rechtsberatung i.S. diverses» trug und folglich auch
  • keinen Hinweis auf die geschäftsmässige Begründetheit zuliessen.

Ich könne und solle dem Steuervertreter aber glauben, dass es sich zu 100% um geschäftsmässig begründeten Aufwand handle. Die Aufrechnung sei deshalb zurückzunehmen und der Einsprache stattzugeben. Weitere Unterlagen kann, will und darf er mir nicht geben.

Aha. Jäso. Dumm gelaufen, aber für wen?

Der gute Herr kannte wohl seine Mitwirkungspflichten nicht. Oder wollte er es knallhart darauf ankommen lassen?

Art. 126 DBG Weitere Mitwirkungspflichten
«1 Der Steuerpflichtige muss alles tun, um eine vollständige und richtige Veranlagung zu ermöglichen.

2 Er muss auf Verlangen der Veranlagungsbehörde insbesondere mündlich oder schriftlich Auskunft erteilen, Geschäftsbücher, Belege und weitere Bescheinigungen sowie Urkunden über den Geschäftsverkehr vorlegen.»


Hier geht’s zum Beitrag von TAXina über die Mitwirkungspflichten bei den Steuern. 😊

Einspracheentscheid: Vornahme der «reformatio in peius»

Wie TAXina bei ihrem letzten Beitrag ausgeführt hat, ist eine Verschlechterung in der Steuerveranlagung nicht so ohne Weiteres möglich. In diesem Fall widersetzte sich der Vertreter der steuerpflichtigen Gesellschaft allerdings seinen Mitwirkungspflichten. In der Folge erhöhte ich die Aufrechnung auf den kompletten Saldo des Buchhaltungskontos.

Dieses Vorgehen hat den Steuervertreter dann gar nicht mehr goutiert. Bevor die Rekurseingabe bei mir auf dem Tisch landete, reklamierte er bei mir schon am Telefon und fand die Erhöhung der Korrektur «ungeheuerlich».

Rekursvernehmlassung mit dreifachem Schriftenwechsel (Triplik)

Rückblickend kann ich mich beim besten Willen nicht mehr erinnern, was in diesem dreifachen Schriftenwechsel hin- und herging bzw. wieso dass das so lange dauerte. Schliesslich benötigten wir Unterlagen zum Nachweis der geschäftsmässigen Begründetheit. Und mit der Privatadresse und dem schleierhaften Betreff auf den Rechnungen war diese zweifelhafter als ganz ohne Belege.

Schliesslich bleibt mir einfach in Erinnerung, dass dieser Steuervertreter ein «Quengeli» war. Er war einfach dagegen, gegen den Staat, gegen eine Prüfung, gegen Steuern, gegen was weiss ich.

(Er ist heute übrigens nicht mehr in der Treuhandbranche tätig, sondern CFO in einem KMU.)

Im dritten Schriftenwechsel, nachdem sich der Steuervertreter genügend «ausgetobt» hatet, lieferte er schliesslich und endlich doch noch – oh Wunder! – die kompletten Rechnungen aus.

Und das Ende vom Lied? Liefere, nöd lafere – einmal mehr

Da die «Rekurrentin» die von der Steuerverwaltung bereits im ordentlichen Veranlagungsverfahren eingeforderten Belege nach dem dritten Schriftenwechsel vor der Steuerrekurskommission dann doch noch eingereicht wurden, konnten wir die geschäftsmässige Begründetheit schliesslich doch noch prüfen. Das Verfahren wurde somit an die Veranlagungsbehörde «zurückgewiesen» zur (erneuten) Vornahme der Veranlagung.

Die geschäftsmässige Begründetheit war nach Sichtung der Unterlagen klar gegeben:

Es handelte sich um Rechtsstreitigkeiten mit einem (ehemaligen) Mitarbeitenden aus dem mittlerweile aufgelösten Arbeitsvertrag. Es handelte sich somit um geschäftsmässig begründeten Aufwand.

Dieser «Fall» war zeitaufwändig und nervig. Aber die Steuerrekurskommission ohrfeigte auch den Steuervertreter: In seiner Funktion, mit seiner Aus- und Weiterbildung und seiner beruflichen Erfahrung musste er über seine Verfahrenspflichten insbesondere bei der Eignung von Nachweise zur Prüfung der geschäftsmässigen Begründetheit in Kenntnis sein. Sein Querulantentum wurde aufs Schärfte gerügt und der Rekurrentin – trotz grundsätzlichem Obsiegen – die Verfahrenskosten aufgebrummt. Eine Parteientschädigung gabs sowieso nicht.

Nun ja, irgendwie ein Beispiel für «Ende gut, alles gut».

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