Steuerhinterziehung lohnt sich wohl! Das glaubte zumindest dieser Unternehmer und schleuste eine Million Schweizer Franken am Fiskus vorbei. Als er erwischt wurde, kam er auf eine «geniale» Idee. Ob es sich gelohnt hat?😉
Die Geschichte beginnt mit einem Besuch bei meinem damaligen Chef
Es war einmal…. ein x-beliebiger Tag im Büro bei der Steuerverwaltung. Mein Chef klopfte an die Tür, trat ein und legte mir eine Mappe mit Unterlagen auf den Tisch. Es handle sich um eine straflose Selbstanzeige und betreffe ein mir zugeteiltes Unternehmen. Der Unternehmer sei soeben mit seinem Steuervertreter – einem dipl. Steuerexperten und langjährigen Unternehmer – bei ihm im Büro gewesen. Die Sache sei durchbesprochen und bereits beim Rechtsdienst angelangt. Die Unterlagen seien für mich lediglich zur Information.
Was war passiert?
Es handelte sich um ein Industrie-Unternehmen, wie es viele in der Ostschweiz gibt. Auch die «Mutter-Tochter-Konstellation», in welcher eine «Holding»-Gesellschaft die Aktien der produktiven Gesellschaft hält, ist (bzw. war) gängig.

Nun verhielt es sich so, dass das operative Unternehmen in der selbst gehaltenen Liegenschaft operierte. Dieses Gebäude wurde saniert, sodass Liegenschaftskosten anfielen. Aufgrund einer speziellen Ausgestaltung der Verträge kam es etwa ein Jahr nach erfolgreichem Abschluss der Sanierung zu einer Rückvergütung vom Generalunternehmer.
Soweit ganz easy.
Diese Rückvergütung floss jedoch interessanterweise nicht an die operativ tätige Gesellschaft, sondern an deren Muttergesellschaft. Und diese verfügte damals über das Holdingprivileg und konnte einen Beteiligungsabzug geltend machen.
Was war das Problem?
Die Rückvergütung hätte einerseits bei derjenigen Gesellschaft verbucht werden sollen, die auch die seinerzeitigen Kosten getragen hat. Die Rückvergütung hätte somit korrekterweise zu geringeren Anlagekosten der Liegenschaft geführt. Vom tieferen Buchwert könnte in der Zukunft folglich weniger abgeschrieben werden.
Was wurde stattdessen gemacht?
Die Rückvergütung floss an die «falsche» Gesellschaft, nämlich an die «Holding»-Gesellschaft: Dort wurde sie als Umsatz verbucht und von Holdingprivileg und Beteiligungsabzug vollständig konsumiert.
Es wurden keine Steuern fällig.
Geile Sache! Aber leider illegal.
Antrag auf straflose Selbstanzeige
Jahre später.
Nun also überkamen den Unternehmer Zweifel. Selbstvorwürfe. Und schlaflose Nächte.
Das Ganze war so schlimm, dass er seinen Steuerberater in die Angelegenheit einweihte. Zusammen setzten sie die Selbstanzeige auf und vereinbarten einen Termin bei der kantonalen Steuerverwaltung. Dort, in den sicheren Wänden des Abteilungsleiters Juristische Personen, weinte sich der Unternehmer tatsächlich aus…
Konsequenzen der Selbstanzeige
Unter dem Titel der Steuerhinterziehung steht Folgendes im (Thurgauer) Steuergesetz:
§ 208 Vollendete Begehung
1 Mit Busse wird bestraft, wer
- bewirkt, dass eine Veranlagung zu Unrecht unterbleibt oder dass eine rechtskräftige Veranlagung unvollständig ist,
- einen Steuerabzug an der Quelle nicht oder nicht vollständig vornimmt,
- eine unrechtmässige Rückerstattung oder einen ungerechtfertigten Erlass erwirkt.
2 Die Busse entspricht in der Regel der hinterzogenen Steuer. Sie kann bei leichtem Verschulden bis auf einen Drittel ermässigt, bei schwerem Verschulden bis auf das Dreifache erhöht werden.
3 Zeigt die steuerpflichtige Person erstmals eine Steuerhinterziehung selbst an, so wird von einer Strafverfolgung abgesehen (straflose Selbstanzeige), wenn:
- die Hinterziehung keiner Steuerbehörde bekannt ist;
- sie die Verwaltung bei der Festsetzung der Nachsteuer vorbehaltlos unterstützt und
- sie sich ernstlich um die Bezahlung der geschuldeten Nachsteuer bemüht.
4 Bei jeder weiteren Selbstanzeige wird die Busse unter den Voraussetzungen nach Abs. 3 auf einen Fünftel der hinterzogenen Steuer ermässigt.
Wird die Steuerhinterziehung bei der Steuerverwaltung gemeldet bzw. angezeigt, wird die Unternehmung im nächsten Schritt so gestellt, wie wenn es nie eine Steuerverkürzung gegeben hätte.
Dies bedeutet konkret:
Als zuständige Steuerkommissärin durfte ich damals ein Nachsteuerverfahren einleiten, während der Rechtsdienst an Stelle einer Steuerbusse eine Verfügung über die Straflosigkeit der Selbstanzeige aufsetzte.
Klingt zu schön um wahr zu sein?
Ja…. 😉
Obwohl die steuerpflichtige Gesellschaft einer Busse wegen vollendeter Steuerhinterziehung entgangen war, knallte es bei den Nachsteuerverfügungen trotzdem:
Im konkreten Sachverhalt trat die Steuerverkürzung erst bei Vornahme der Abschreibungen auf der Liegenschaft ein. Somit mussten diverse Steuerveranlagungen in den letzten zehn Jahren geöffnet und korrigiert werden. Und was das «Schöne» bei Nachsteuerveranlagungen aus Sicht des Fiskus ist: Sie ziehen Verzugszinsen in Höhe von 5% mit sich….
Und plötzlich ruft die ESTV an….
Kurz nach dem Einreichen der straflosen Selbstanzeige und irgendwo zwischen Einleitung des Nachsteuerverfahrens und Vornahme der Nachsteuerveranlagungen erhielt ich einen Telefonanruf eines Steuerkommissärs der ESTV, Hauptabteilung MWST. Dabei ging es just um diese Unternehmung, die doch einen Antrag auf straflose Selbstanzeige eingereicht hatte…
Das Ganze lief nämlich nicht ganz so ab, wie der Unternehmer und sein Steuerberater uns weismachen wollten:
Wenige Wochen zuvor hatte die MWST bei der Mutter- sowie der Tochtergesellschaft eine Buchprüfung vorgenommen und ist dabei auf den Sachverhalt mit der Rückvergütung gestossen. Aufgrund einiger ausstehender Differenzen mit der steuerpflichtigen Gesellschaft verzögerte sich die steueramtliche Meldung an uns, die kantonale Steuerverwaltung.
Der liebe Unternehmer wurde also nicht von plötzlich auftauchender Reue gepackt, sondern von der MWST ziemlich klar auf seine Verfehlungen gestossen…. Und er wusste wohl ziemlich genau, was ihm blühte!
Adé du versuchte straflose Selbstanzeige
Nach § 208 Abs. 3 Ziff. 1 ist eine der drei kumulativ zu erfüllenden Voraussetzungen für die straflose Selbstanzeige, dass:
die Hinterziehung keiner Steuerbehörde bekannt ist.
Gemeint ist damit natürlich JEDE STEUERBEHÖRDE, mittlerweile nicht nur in der Schweiz, sondern – aufgrund des automatischen Informationsaustausches – auch im Ausland.
Der Unternehmer startete somit vergeblich einen Wettlauf mit der Zeit, indem er versuchte, die MWST-Abteilung «hinzuhalten» und selbst schnell noch eine Selbstanzeige bei der kantonalen Steuerverwaltung einzureichen.
Was bedeutet das konkret?
Der Unternehmer und der Steuerberater waren gar nicht so reumütig, wie sie es bei Einreichung der Selbstanzeige dargestellt hatten. Das Unternehmen hatte eine MWST-Prüfung im Hause und wurden informiert, dass es hier einerseits aus Sicht der Mehrwertsteuer grössere Korrekturen geben wird – andererseits würde natürlich eine steueramtliche Meldung gemacht an die kantonale Steuerbehörde. Dort würde der ganze Sachverhalt für die direkten Steuern nochmals aufgerollt und ein Nachsteuerverfahren eingeleitet.
Das wollte man dann wohl offensichtlich noch schnell umgehen mit einer Selbstanzeige. Denn:
Ein Nachsteuerverfahren tut weh, vor allem, wenn es um viel Geld geht: In diesem Fall blieb eine Million Schweizer Franken unversteuert.
Was war als Nächstes zu tun?
Umgehend musste der Rechtsdienst über die neuen Tatsachen informiert werden. Die straflose Selbstanzeige war nun natürlich hinfällig – stattdessen wurde ein Strafverfahren wegen vollendeter Steuerhinterziehung eröffnet.
Aus strafloser Selbstanzeige wird ein Nach- und Strafsteuerverfahren – und ein ziemlich angeschlagener Ruf bei der Steuerverwaltung
Weil die Steuerhinterziehung durch den Steuerkommissär der MWST entdeckt wurde und eine entsprechende Meldung allein wegen der Verzögerungstaktik der steuerpflichtigen Gesellschaft (oder des Vertreters?) noch nicht bei der kantonalen Steuerverwaltung eintraf, konnte keine straflose Selbstanzeige gewährt werden.
Schlimmer noch:
Anstatt dass die Unternehmung bei rechtzeitiger Vornahme der Selbstanzeige ohne eine Busse davongekommen wäre, hat sie die Steuerverwaltung belogen. Dieses Vorgehen zeigte sich bei der Bemessung der Busse:
Ausgehend vom hinterzogenen Steuerbetrag konnte mitnichten von «leichtem Verschulden» gesprochen werden, denn die kriminelle Energie entfaltete sich weiter: Ausgehend von einem Einfachen des hinterzogenen Steuerbetrages hätte somit nur ein Drittel bezogen werden können. Aufgrund der weiteren Verfehlungen musste die steuerpflichtige am Ende sogar mehr als den einfachen Steuerbetrag als Busse bezahlen. Und dies sowohl auf Stufe der Staats- und Gemeindesteuern als auch bei den direkten Bundessteuern!
Rekapitulation: Hände weg von Steuerhinterziehung und Steuerbetrug
Finanzielle Folgen
Anstatt die Buchhaltung sauber zu führen, die Rückvergütung korrekt zu verbuchen und von einer Steuerverkürzung abzusehen, hatte das steuerpflichtige Unternehmen summa summarum in etwa denselben Betrag (rund eine Million Schweizer Franken) an den Fiskus abgeliefert. Dies beinhaltet:
- Nachsteuern
- Verzugszinsen
- Busse auf Stufe Staats- und Gemeindesteuern
- Busse auf Stufe direkte Bundessteuer
Zusätzlich mussten sowohl die Unternehmung wie auch der Steuervertretung von nun an mit einem deutlich schlechteren Ruf bei der Steuerverwaltung leben.
Nicht zu vergessen die nachzuliefernde Mehrwertsteuer mitsamt Verzugszinsen….
Warum Steuerbetrug?
Grundsätzlich handelt es sich in diesem Fall sogar (zusätzlich!) um einen Steuerbetrug, der bei der Strafverfolgungsbehörde angezeigt wird. Dies, weil eine inhaltlich unwahre Jahresrechnung (=Urkunde) als Beweismittel in einem Steuerverfahren eingereicht wurde.
Eine weitere True-Tax-Story zum Thema Steuerhinterziehung gibts hier zum Lesen.
Wie wäre es mit ein wenig Input und/oder Unterstützung?
Auch im Bereich des Steuerverfahrensrechts unterstütze ich KMU und UnternehmerInnen in der Ostschweiz dank Fachwissen und Erfahrung professionell, zuverlässig und effizient.